Fragen zur Pflegebegutachtung
Antworten auf häufig gestellte Fragen
Wonach wird beurteilt, ob ein Mensch pflegebedürftig ist?
Maßgeblich für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen:
- Mobilität
(Wie selbstständig kann der Mensch sich fortbewegen und seine Körperhaltung ändern?) - Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
(Wie findet sich der Mensch in seinem Alltag örtlich und zeitlich zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen? Kann die Person Gespräche führen und Bedürfnisse mitteilen?) - Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
(Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von psychischen Problemen, wie etwa aggressives oder ängstliches Verhalten?) - Selbstversorgung
(Wie selbstständig kann sich der Mensch im Alltag selbst versorgen bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken?) - Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
(Welche Unterstützung wird benötigt beim Umgang mit der Krankheit und bei Behandlungen? Zum Beispiel Medikamentengabe, Verbandswechsel, Dialyse, Beatmung?) - Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
(Wie selbstständig kann der Mensch noch den Tagesablauf planen oder Kontakte pflegen?)
Aufgrund einer Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen erfolgt die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade.
Wie errechnet sich der jeweilige Pflegegrad?
Die Zuordnung zu einem Pflegegrad erfolgt anhand eines Punktesystems. Dazu werden in den sechs Bereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, die jeweils mehrere Einzelkriterien enthalten (zum Beispiel: Essen oder Trinken), für jedes erhobene Kriterium Punkte vergeben.
Die Höhe der Punkte orientiert sich daran, wie sehr die Selbstständigkeit eingeschränkt ist oder die Fähigkeiten nicht mehr vorhanden sind. Grundsätzlich gilt: Je höher die Punktzahl, desto schwerwiegender die Beeinträchtigung.
Die innerhalb eines Moduls für die verschiedenen Kriterien vergebenen Punkte werden zusammengezählt und gewichtet. Aus dem Gesamtpunktwert der gewichteten Punkte aller Module wird das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bestimmt und der Pflegegrad abgeleitet. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass Module mit unterschiedlicher Gewichtung in die Gesamtbewertung eingehen; auch gibt es innerhalb der Module unterschiedliche Bewertungsregeln.
Wonach beurteilt sich die Pflegebedürftigkeit von Kindern?
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene werden grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien begutachtet wie Erwachsene.
Auch in der Kinderbegutachtung wird die Pflegebedürftigkeit danach beurteilt, welche Fähigkeiten bzw. Selbstständigkeit ein Kind hat. Diese müssen Kinder jedoch im Laufe ihres Lebens erst schrittweise erlernen. Daher liegt der wesentliche Unterschied zur Begutachtung von Erwachsenen darin, dass Fähigkeiten und Selbstständigkeit eines pflegebedürftigen Kindes mit denen eines gesunden, gleichaltrigen Kindes verglichen werden.
Im Alter bis zu 18 Monaten haben Kinder eine natürlich hohe Unselbstständigkeit, beispielsweise im Bereich der Mobilität, bei der Körperpflege und bei den Ausscheidungen. So werden diese Bereiche bei Kindern bis zum 18. Lebensmonat nicht bewertet. Selbstständig kann ein Kind vom ersten Lebenstag an schlucken. Daher wird anstelle von Modul 4 "Selbstversorgung" lediglich bewertet, ob gravierende Probleme bei der Nahrungsaufnahme bestehen, die einen pflegeintensiven Hilfebedarf im Bereich der Ernährung auslösen. Außerdem fließen die altersunabhängigen Module 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) und 5 (Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) in die Bewertung mit ein.
Darüber hinaus sieht eine Sonderregelung vor, dass Kinder dieser Altersgruppe einen Pflegegrad höher eingestuft werden als ältere Kinder oder Erwachsene.
Nach dem 18. Lebensmonat erfolgt eine reguläre Einstufung, ohne dass es dazu einer erneuten Begutachtung bedarf.
Um die Fähigkeiten und die Selbstständigkeit eines Kindes zu beurteilen, befragt die Gutachterin oder der Gutachter die Eltern bzw. Pflegepersonen des Kindes. Außerdem werden vorhandene Unterlagen mit einbezogen.
Bei der Befragung und Inaugenscheinnahme des Kindes gehen die Gutachterinnen und Gutachter altersgerecht vor – sie lassen sich beispielsweise das Zimmer eines Kindes zeigen und die Lieblingsspielsachen benennen. Kinder können sich während des Begutachtungsgesprächs auch in ihr Zimmer zurückziehen. So entsteht für Eltern Gelegenheit, in Abwesenheit des Kindes aus ihrer Perspektive zu berichten.
Zur Begutachtung von Kindern kommt ein eigenes Formulargutachten zum Einsatz, welches den Besonderheiten bei der Begutachtung gerecht wird, u. a. durch ...
- ... Angaben der bei der Begutachtung von Kindern zu berücksichtigenden Besonderheiten als Erläuterungen zu den einzelnen Modulen
- ... Angaben unter der Vorgeschichte zu für die Begutachtung von Kindern wichtigen Informationen, wie beispielweise zu Schwangerschaft und Geburtsverlauf, der kindlichen Entwicklung und der bisherige Förderung des Kindes durch Kindergarten, Bildungseinrichtungen oder sonstige Einrichtungen
- ... an die Besonderheiten der Begutachtung von Kindern angepasste Darstellung des gutachterlichen Befundes, z. B. Beschreibung des Verhaltens des Kindes beim Eintreffen der Gutachterin oder des Gutachters sowie während der Begutachtungssituation und des Spiel- und Lernverhaltens.
Ab einem Alter von 11 Jahren kann ein altersgemäß entwickeltes Kind in allen Bereichen, die in die Berechnung des Pflegegrades eingehen, selbstständig sein. Für Kinder ab 11 Jahren gelten aus diesem Grund dieselben pflegegradrelevanten Berechnungsvorschriften wie bei Erwachsenen.
Was ändert sich beim Zugang zur medizinischen Rehabilitation?
Der Vorrang von Prävention und Rehabilitation vor Pflege wurde bereits zum 1. Januar 2016 nochmals gestärkt. Bis dahin sprachen die Gutachterinnen und Gutachter bei der Pflegebegutachtung Empfehlungen zur medizinischen Rehabilitation und Prävention aus. Dies wurde um Empfehlungen zur verhaltensbezogenen Primärprävention erweitert.
Das bedeutet für das Begutachtungsverfahren, dass die Gutachterinnen und Gutachter eine Aussage darüber treffen, ob in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der der pflegebedürftige Mensch lebt, präventive Maßnahmen empfohlen werden können. Sie müssen klären, ob Beratungsbedarf zu primärpräventiven Maßnahmen wie Gruppenangebote zur Sturzprävention oder zur Beseitigung von Mangel- oder Fehlernährung besteht.
Die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs erfolgt bei der Pflegebegutachtung des Medizinischen Dienstes auf Grundlage eines bundeseinheitlichen, strukturierten Verfahrens, dem so genannten optimierten Begutachtungsstandard.
Was ändert sich bei der Beratung?
Der Stellenwert der Pflegeberatung wurde zum Januar 2016 gestärkt. Damit werden pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen besser unterstützt, die Leistungen aus der Pflegeversicherung nach ihren Bedürfnissen und Wünschen zusammenzustellen. Hierfür bieten die Pflegekassen jedem, der einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellt, innerhalb von zwei Wochen eine Pflegeberatung an.
Ebenfalls seit 2016 haben nicht nur die pflegebedürftigen Menschen sondern auch die Angehörigen einen Anspruch auf Pflegeberatung durch die Pflegekassen und erhalten damit mehr Unterstützung, wenn es um die Organisation der Pflege geht. Außerdem sollen die verschiedenen Beratungsangebote, die es regional gibt, besser aufeinander abgestimmt werden.