Kein anderes Bundesland in Deutschland wertet Notfalleinsätze auf diese Weise systematisch und transparent aus: Die SQR-BW, angesiedelt beim Medizinischen Dienst Baden-Württemberg, analysierte im Berichtsjahr rund 4,2 Millionen Datensätze aus 34 Leitstellen sowie rund 230 Notarztstandorten und 350 Rettungswachen in 35 Rettungsdienstbereichen. Überprüft wurde so ziemlich alles, was im Rahmen der Abwicklung eines Rettungseinsatzes vorstellbar ist. Dies beinhaltet beispielsweise die Alarmierung, die Art des eingesetzten Rettungsmittels (Krankentransportwagen, Rettungswagen, Notarzt-Einsatzfahrzeug oder Luftrettung), die Schwere der Erkrankung oder Verletzung, die durchgeführten Untersuchungen, die eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen sowie die Zeiten im Einsatzablauf bis hin zu den Transportzielen. Ein Ziel der Qualitätssicherung: Schwächen frühzeitig erkennen – und Stärken systematisch ausbauen.
„Qualitätssicherung ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um die notfallmedizinische Versorgung in Baden-Württemberg aktiv zu verbessern“, sagt Dr. Joachim Koster, Leiter der SQR-BW. „Das gelingt aber nur, wenn die erforderlichen Grundlagen in Form der Ergebnisauswertung und -darstellung auf Basis einer hohen Datenqualität hergestellt werden und alle Beteiligten bereit sind, die gewonnenen Erkenntnisse zu teilen und im operativen Tun umzusetzen.“ Koster und sein Team bei der SQR-BW bemühen sich in einem permanenten Prozess, eine noch bessere Qualität der Datensätze sicherzustellen.
Bessere Schmerzbehandlung, schnelleres Eingreifen
Den gesamten Zeitraum in der Leitstelle vom Anrufeingang bis zur ersten Alarmierung bildet die Erstbearbeitungszeit ab. Sie wird für Einsätze ermittelt, bei denen mindestens das erste alarmierte Rettungsmittel mit Sondersignal zur Einsatzstelle entsendet wird. In jedem zweiten Fall lag die Abfahrt unterhalb von 2 Minuten und 18 Sekunden, eine Sekunde kürzer als im Vorjahr. In jedem 20. Fall lag diese Zeit jenseits von 4 Minuten und 43 Sekunden – drei Sekunden weniger als im Vorjahr. Verglichen mit dem Landeswert (Median) war die Erstbearbeitungszeit kürzer bei Notarzteinsätzen, bei den
relativ seltenen Verlegungen hingegen länger. Die Unterschiede zwischen den Leitstellen waren weiterhin groß. Die Leitstellen mit den kürzesten Erstbearbeitungszeiten waren im Median deutlich über eine Minute schneller als die Leitstellen mit den längsten Zeiten. Die Gesprächsannahmezeit lag weitgehend zwischen drei und neun Sekunden, der Landeswert beträgt fünf Sekunden. Nur sechs der 34 Leitstellen konnten den Referenzbereich nicht einhalten. Die maximale Überschreitung betrug vier Sekunden.
Die Ausrückzeiten für bodengebundene notarztbesetzte Rettungsmittel und Rettungswagen haben sich zwar gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert, halten aber die Vorgaben aus dem Rettungsdienstplan nach wie vor nicht ein. Ursächlich sind hierfür teilweise baulich ungünstige Laufwege oder aber im Notarzteinsatz die Abholung außerhalb der Wache, ergab die Abfrage von Stellungnahmen.
„Im Notfall zählt jede Sekunde – daher ist eine Aufbereitung der Daten so wertvoll, um Ansätze für Verbesserungen zu identifizieren“, sagt Dr. Joachim Koster, Leiter der SQR-BW.
Besonders erfreulich: Bei Einsätzen ohne Notarzt lag die Schmerzreduktion 2024 bei 56,6 Prozent – fast 10 Prozentpunkte über dem Wert des Vorjahres (2023: 46,5 Prozent). Möglich wurde das unter anderem durch die Übertragung ärztlicher Maßnahmen auf qualifizierte Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Bei Notarzteinsätzen blieb die Schmerzreduktion mit 93 Prozent auf dem exakt gleich hohen Wert wie im Vorjahr.
Ein Blick auf das bedeutsame Thema Herz-Kreislauf-Stillstand zeigt einen wachsenden Anteil dieser lebensbedrohlichen Situationen am notärztlichen Einsatzgeschehen. Hier wurde mit 5,6 Prozent der höchste Anteil der letzten sechs Jahre erreicht. Bei nicht ganz der Hälfte dieser Patientinnen und Patienten wurden Wiederbelebungsmaßnahmen ergriffen, die bei knapp 35 Prozent der Reanimierten zu einer Klinikaufnahme mit einem Spontankreislauf geführt haben. Die Ergebnisse liegen in der Größenordnung der Werte, die in der Vergangenheit in verschiedenen Untersuchungen für Deutschland ermittelt wurden, im internationalen Vergleich zeigt sich jedoch, dass hier noch deutliches Verbesserungspotential besteht.
Wichtige Rolle der Bevölkerung
Der Bericht verweist aufgrund des letztgenannten Themas daher auf die Relevanz öffentlicher Aufklärung und Erste-Hilfe-Schulungen. Die Fähigkeit Erste Hilfe leisten zu können, ist eine lebenswichtige Kompetenz. Sie schafft Selbstvertrauen und Sicherheit im Alltag. Und eine entscheidende Verbesserung der Erfolgsquote von Wiederbelebungen ist nur mit Hilfe von Ersthelfern erreichbar. Umso wichtiger ist es, dass die Ergebnisse nicht nur Fachpublikum, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
„In aktuellen Diskussionen um Standards, Verantwortung und Effizienz im Rettungsdienst wird oft um Strukturfragen gerungen“, sagt Andreas Klein, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg. „Die SQR-BW zeigt seit Jahren, wie man mit Transparenz, klaren Indikatoren und verlässlicher Datengrundlage konkrete Verbesserungen erzielen kann. Das hat bundesweiten Modellcharakter.“
Den vollständigen Qualitätsbericht gibt es hier https://www.sqrbw.de/sqr-bw/qualitaetsberichte zum Download.