Bundesweit haben die Medizinischen Dienste im Jahr 2024 in 12.304 Fällen (2023: 12.438) mögliche Behandlungsfehler überprüft. In Baden-Württemberg waren es 1.313 Fälle, die der Medizinische Dienst im Auftrag der Krankenkassen begutachtete. In etwas mehr als jedem vierten Fall (361 Fälle, 27,5 Prozent) stand ein gesundheitlicher Schaden im Zusammenhang mit einem nachweisbaren Behandlungsfehler. In 293 dieser Fälle (22,3 Prozent aller Begutachtungen) sahen die Gutachterinnen und Gutachter auch einen direkten, ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem eingetretenen Schaden. In 4 Prozent der Fälle (Vorjahr: 5 Prozent) lag zwar ein Behandlungsfehler vor, jedoch ohne gesundheitliche Folgen für die Betroffenen. Nur vereinzelt ließ sich der Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden nicht klären.
„Wichtig zu betonen ist, dass in über zwei Dritteln der geprüften Fälle der Verdacht eines Behandlungsfehlers im Gutachten jedoch nicht belegt werden konnte“, erklärt Dr. Thomas Rösel, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg.
Die Statistik zeigt auch, dass nicht jeder gesundheitliche Schaden automatisch auf einen Fehler zurückgeht. Manchmal ist ein unerwarteter oder ungünstiger Verlauf schlicht eine unvermeidbare Komplikation einer Behandlung – auch bei fachgerechter medizinischer Versorgung.
Zumeist Orthopädie und Unfallchirurgie
Wie bereits in den Vorjahren entfiel der größte Anteil der vermuteten Behandlungsfehler in Baden-Württemberg auf die Orthopädie und Unfallchirurgie – mit 357 Fällen beziehungsweise 27,2 Prozent aller Begutachtungen. Danach folgten die Zahnmedizin mit 123 Fällen (9,4 Prozent), die Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit 118 Fällen (9 Prozent) sowie die Viszeralchirurgie mit 90 Fällen (6,9 Prozent). Die Vorwürfe reichten von möglichen Behandlungsfehlern bei Hüft- und Kniegelenksverschleiß oder Knochenbrüchen über Sauerstoffmangel bei der Geburt bis hin zu Problemen bei der Behandlung von Gallensteinen oder zahnmedizinischen Eingriffen. In 1.243 Fällen (94,7 Prozent) bezog sich der Vorwurf auf eine ärztliche bzw. zahnärztliche Behandlung, in einzelnen Fällen waren aber auch andere Berufsgruppen, überwiegend aus der Pflege betroffen.
Zehn Todesfälle, zwölf schwerwiegende Ereignisse
Zehn Todesfälle waren im Jahr 2024 nachweislich auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen, urteilt der Medizinische Dienst Baden-Württemberg in der Jahresstatistik. Im Jahr 2023 waren es zwölf gewesen, im Jahr 2022 neun Todesfälle. Damit bewegen sich die Zahlen auf einem vergleichbaren Niveau, wobei jedes einzelne Schicksal die Tragweite medizinischer Entscheidungen deutlich macht.
In der Jahresstatistik werden auch die sogenannten „Never Events“ ausgewiesen – schwerwiegende, aber grundsätzlich vermeidbare Vorkommnisse wie eine Seitenverwechslung bei einer Operation, falsch verabreichte oder fehldosierte Medikationen oder ein unbeabsichtigt oder unbemerkt zurückgelassener Fremdkörper nach einem Eingriff. Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg registrierte zwölf solcher Ereignisse, nach vier Fällen im Jahr 2023 und acht im Jahr 2022. Diese Ereignisse gelten als besonders kritisch, weil sie bei korrekten Abläufen im Behandlungsprozess nicht auftreten dürften.
Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg betont, dass die Ergebnisse der Jahresstatistik keinen vollständigen Überblick über die Patientensicherheit im Land geben. Sie bilden ausschließlich die Fälle ab, die dem Medizinischen Dienst zur Begutachtung vorgelegt wurden.
„Eine Häufung in einem bestimmten Fachgebiet lässt keine Rückschlüsse auf dessen Sicherheit zu“, erklärt Dr. Thomas Rösel. „In manchen Bereichen ist es für Patientinnen und Patienten einfacher, mögliche Fehler zu erkennen und anzusprechen – etwa bei chirurgischen Eingriffen. Dagegen bleiben Fehler etwa bei Medikationen häufiger unbemerkt.“
Geprüft werden Patienten- und Krankenunterlagen
Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg erstellt zur Klärung des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers ein medizinisches oder pflegefachliches Sachverständigen-Gutachten. Grundlage sind die Patienten- und Krankenunterlagen wie beispielsweise Operationsberichte, aber auch die Aussage der Patientin oder des Patienten. Ein Fehler liegt dann vor, wenn die Behandlung nicht dem zum Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten, fachlichen Standard entspricht. Fehler können in den unterschiedlichsten Bereichen der medizinischen oder pflegerischen Versorgung entstehen – von der Aufklärung im Patientengespräch bis zur Befunderhebung, bei einer Operation oder der Auswahl von Medikamenten.
Für Versicherte ist die Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers auch im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche bedeutsam.
Jahresstatistik stärkt die Patientensicherheit
Andreas Klein, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, unterstreicht die Bedeutung der jährlichen Auswertung: „Die Jahresstatistik schafft Transparenz und sensibilisiert für das Thema Behandlungsfehler - ein wichtiger Beitrag, um Patientensicherheit weiter zu stärken. Gesundheitspolitisches Ziel muss sein, die Zahl der Behandlungsfehler zu reduzieren, damit weniger Patientinnen und Patienten durch Behandlungsfehler geschädigt werden. Hierfür bedarf es Verbesserungen bei der Fehlerprävention.“
Die Begutachtungen des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg erfolgen unabhängig, objektiv und frei von Interessen Dritter. Für gesetzlich Versicherte entstehen dabei keine Kosten.
Weitere Hintergrundinformationen zum Thema und die Zahlen zum Download finden Sie auf unserer Themenseite Behandlungsfehler.
Hintergrundinformation
Nur der fachlichen und sozialen Expertise verpflichtet, ist der Medizinische Dienst unverzichtbar für die gut funktionierende ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg.
Seit der Gründung 1990 ist die Hauptverwaltung in Lahr/Schwarzwald angesiedelt. Elf Beratungs- und Begutachtungszentren sowie sechs Beratungsstellen garantieren eine flächendeckende Versorgung für Baden-Württemberg. Mit über 1.600 qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter rund 290 Ärztinnen und Ärzten sowie über 700 Pflegefachkräften, spielt der Medizinische Dienst Baden-Württemberg eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen des Landes.